Wie wollen wir arbeiten? Arbeitswerte unter Erwerbstätigen in Österreich

  • Ein sicherer Arbeitsplatz ist im Schnitt nach wie vor der mit Abstand wichtigste Arbeitswert der Erwerbstätigen in Österreich, gefolgt von intrinsischen Jobaspekten, hohem Einkommen und viel Freizeit.
  • Insgesamt zeigt sich zwischen Juli 2020 und Februar 2023 relativ wenig Bewegung in den Einstellungen zu diesen Arbeitswerten. Zuletzt verloren Arbeitsplatzsicherheit, Freizeitmöglichkeiten und intrinsische Aspekte jedoch etwas an Bedeutung, während die Bedeutung von  Einkommen relativ anstieg.
  • Für jüngere Erwerbstätige sind Einkommen und Freizeit wichtiger als für ältere; bei der Arbeitsplatzsicherheit und intrinsischen Aspekten verhält es sich umgekehrt.
  • Erwerbstätige Frauen messen der Sicherheit des Arbeitsplatzes, der Freizeit und intrinsischen Aspekten einen höheren, dem Einkommen einen geringeren Stellenwert bei als Männer.
  • Vollzeitbeschäftigten ist das Einkommen wichtiger, Freizeit und intrinsische Aspekte aber weniger wichtig als Teilzeitbeschäftigten.

Was zählt mehr: ein hohes Einkommen, ein sicherer Arbeitsplatz oder viel Freizeit? Unter dem Eindruck des Fachkräftemangels und von Entwicklungen wie “Home Office” wurde im öffentlichen Diskurs zuletzt häufig ein Wandel der Arbeitswerte thematisiert. Auf Grundlage von Daten des ACPP werfen wir in diesem Beitrag einen Blick auf die Veränderungen und Kontinuitäten in den Jahren 2020 bis 2023: Welche Prioritäten räumt die erwerbstätige Bevölkerung in Österreich verschiedenen Aspekten zum Thema Arbeit und Arbeitsplatz ein? Wie wichtig sind den Menschen unterschiedliche Jobaspekte? 

Entwicklung der Arbeitswerte der Erwerbstätigen

Abbildung 1 gibt einen Überblick darüber, welcher Anteil der  Erwerbstätigen über die Zeit  vier unterschiedliche Jobaspekte (hohes Einkommen, sicherer Arbeitsplatz, intrinsische Jobaspekte, viel Freizeit) auf einer fünfstufigen Skala von “sehr unwichtig” bis “sehr wichtig”, für sich als „sehr wichtig“ erachtet.1

Ein sicherer Arbeitsplatz ist nach wie vor der mit Abstand wichtigste Arbeitswert: Im Februar 2023 gaben 65% der arbeitenden Teilnehmer:innen an, ein sicherer Arbeitsplatz sei für sie “sehr wichtig”. Seit September 2021 sank dieser Anteil jedoch um ca. 8 Prozentpunkte. Damit hat sich am hohen Stellenwert dieses Aspekts seit 2016 (SSÖ) kaum etwas geändert.

Mit einigem Abstand folgen “intrinsische” Arbeitswerte.  Diese setzen sich aus mehreren Aspekten zusammensetzen – darunter etwa Kreativität oder ein gutes Selbstwertgefühl durch die Tätigkeit (eine genaue Erläuterung befindet sich im Annex). Die Forschung grenzt diese Aspekte von den “extrinsischen” Arbeitswerten wie Einkommen, Arbeitsplatzsicherheit, oder Freizeit ab. Letztere “Erlöse aus der Arbeit” kommen nicht von der Arbeitstätigkeit an sich, sondern dienen anderen Zwecken, wie etwa der Sicherung des finanziellen Auskommens. Dagegen sind intrinsische Werte, wie etwa die Möglichkeit, bei der Arbeit kreativ zu sein, stark mit der tatsächlichen Tätigkeit verbunden. Auch der Stellenwert intrinsischer Jobaspekte ist für Erwerbstätige zuletzt etwas gesunken: In der letzten Befragungswelle im Februar 2023 lag der Anteil jener, die diese Aspekte als „sehr wichtig“ empfanden, bei 41 %, im September 2021 bei 48%. 

Als drittwichtigster Arbeitswert erweist sich aktuell das Einkommen: Im Februar 2023 befanden 37% der Erwerbstätigen diesen Aspekt für “sehr wichtig”. Während die anderen Aspekte für unsere Befragten im Durchschnitt leicht in ihren Prioritäten sanken, nahmen sie in Bezug auf das Einkommen seit März 2021 etwas zu. Damals hatten etwa 34% der erwerbstätigen Befragten diesen Punkt für „sehr wichtig“ befunden. Diese Steigerung kann Ausdruck eines Wertewandels sein, könnte aber auch auf einen höheren ökonomischen Druck etwa aufgrund der Teuerung zurückzuführen sein. 

Ein hohes Maß an Freizeit schließlich steht für die Teilnehmer:innen unter den abgefragten Aspekten zur Zeit an letzter Stelle. Während der Corona-Krise stieg die Priorität dieses Aspekts zwar von 34% Anteil jener Erwerbstätigen, welche die Freizeit im Juli 2020 für “sehr wichtig” hielten, auf 41% im September 2021. Zuletzt nahm deren Bedeutung jedoch wieder ab: Im Februar 2023 wählten hier nur mehr 36% die Antwortkategorie.

Abbildung 1: Anteil der Befragten, welche die jeweiligen Arbeitswerte als „sehr wichtig“ empfinden, im Zeitverlauf

Daten: ACPP, N = zwischen 825 und 881 pro Befragungswelle. Inkludiert sind nur Personen in selbstständiger oder unselbstständiger Erwerbstätigkeit. Anteile gewichtet nach sozio-demografischen Merkmalen. Fehlerbalken zeigen die 95%-Konfidenzintervalle der jeweiligen Anteile. 

Unterschiede nach sozio-demografischen Merkmalen

Ein genauerer Blick auf Alter, Geschlecht und Beschäftigungsausmaß zeigt einige Unterschiede zwischen den Arbeitswerten (siehe Abbildung 2). So wählten Unter-35-Jährige im Februar 2023 beim Einkommen um 9 Prozentpunkte häufiger die Kategorie “sehr wichtig”. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass ältere Personen häufig mehr verdienen als jüngere, weshalb finanzielle Aspekte für letztere damit vergleichsweise höhere Priorität haben könnten. Die Unterschiede bezüglich der Arbeitsplatzsicherheit – Erwerbstätige über 35 fanden diesen Aspekt im Februar 2023 um 8 Prozentpunkte öfter “sehr wichtig” – könnten mit einer veränderten Arbeitskultur zu tun haben: Während für viele Ältere noch ein Erwerbsleben in einem oder wenigen Unternehmen normal war, wechseln Jüngere häufiger ihre Arbeitgeber. Intrinsische Jobaspekte waren im Februar 2023 für ältere Erwerbstätige um 7 Prozentpunkte häufiger “sehr wichtig” als für jüngere, was auch mit der Berufseinstiegsphase zu tun haben könnte. Das höhere Bedürfnis nach Freizeit bei Unter-35-Jährigen (Februar 2023: ca. 3 Prozentpunkte Unterschied zu älteren) spiegelt sich auch im Mikrozensus 2021 wider. Diese Daten verweisen zudem auf einen Zusammenhang mit dem Bildungsgrad und der wöchentlichen Arbeitszeit: Je höher die Bildung sowie das jeweilige Arbeitspensum, desto stärker der Wunsch nach Stundenreduktion (vgl. Arbeitsmarktstatistik 2021, S. 36).

Die Geschlechterunterschiede folgen bekannten Mustern. Der subjektiv zugeordnete Stellenwert des Einkommens liegt bei Männern geringfügig höher als bei Frauen: Männliche Erwerbstätige gaben hier im Februar 2023 einen Prozentpunkt häufiger an, der Verdienst sei ihnen “sehr wichtig”. Dagegen werden besonders sichere Arbeitsplätze und Tätigkeiten, die intrinsische Arbeitswerte erfüllen, öfter von weiblichen als von männlichen Erwerbstätigen bevorzugt (sicherer Arbeitsplatz: 6 Prozentpunkte Unterschied, intrinsische Arbeitswerte: 12 Prozentpunkte Unterschied, beides im Februar 2023). Die für erwerbstätige Frauen ebenfalls höhere Wichtigkeit von Freizeit – welche im Februar 2023 einen Unterschied von 7 Prozentpunkten ausmachte – verweist auch auf die Last an Reproduktionsarbeit, welche häufiger von Frauen getragen wird.

Wenig überraschend ist, dass Teilzeitbeschäftigte einem hohen Einkommen einen geringeren Stellenwert einräumen (Februar 2023: 3 Prozentpunkte Unterschied zu jenen in Vollzeit), und stattdessen mehr Wert auf Freizeit legen (Februar 2023: 7 Prozentpunkte Unterschied). Die Arbeitsplatzsicherheit war für Erwerbstätige in Teilzeit im Februar 2023 um 3 Prozentpunkte seltener “sehr wichtig” als für jene in Vollzeit. Dass Teilzeitbeschäftigten intrinsische Arbeitswerte wichtiger waren als jenen in Vollzeit (11 Prozentpunkte Unterschied im Februar 2023), könnte auch strukturelle Ursachen haben: Intrinsische Aspekte lassen sich oft eher in Branchen verwirklichen, in denen Teilzeitarbeit häufiger anzutreffen ist – etwa im Gesundheits -und Sozialbereich. Dies steht wiederum in Verbindung mit den Geschlechterunterschieden: Insgesamt sind viel mehr Frauen teilzeitbeschäftigt als Männer (Arbeitsmarktstatistik 2021).

Abbildung 2: Anteil der Befragten, welche die jeweiligen Arbeitswerte als „sehr wichtig“ empfinden, nach sozio-demografischen Merkmalen

Daten: ACPP, N = zwischen 825 und 881 pro Befragungswelle. Inkludiert sind nur Personen in selbstständiger oder unselbstständiger Erwerbstätigkeit. Anteile gewichtet nach sozio-demografischen Merkmalen. Die schwarzen Punkte zeigen die jeweiligen Mittelwerte einzelner Umfragewellen, die roten Rauten die Gesamt-Mittelwerte über alle Umfragewellen.

Fazit

Insgesamt zeigt sich also, trotz gewisser Schwankungen, viel Kontinuität in den Arbeitswerten der erwerbstätigen Bevölkerung in Österreich. Ungeachtet der Debatte um einen Wandel der Arbeitswerte (Stichwort: Millennials, Home Office, etc.) blieb deren Reihung über die letzten knapp drei Jahre praktisch bestehen – einzig das Einkommen und die Freizeit wechselten sich in der Reihenfolge zwischenzeitlich ab. Die Arbeitsplatzsicherheit stellt – ähnlich wie in anderen europäischen Staaten – schon länger das mit Abstand wichtigste Kriterium dar. Dass intrinsische Aspekte und Freizeit (welche über den Verlauf der Pandemie wichtiger geworden waren) nun an Stellenwert verlieren, und Einkommen dadurch relativ an Bedeutung gewinnt, könnte durch die derzeitige Wirtschaftslage erklärt werden: Alle Einkommensgruppen spüren die Auswirkungen der Teuerung, und diese können insbesondere bei den mittleren und niedrigen Einkommen zu finanziellen Notlagen führen (siehe hierzu auch unseren WoCo-Blog). Dies könnte auch dazu beitragen, dass intrinsische Jobaspekte im Vergleich etwas weniger wichtig werden. Zugleich werden am Arbeitsmarkt massiv Arbeitskräfte gesucht, wodurch ein sicherer Arbeitsplatz im Bewusstsein der Bevölkerung tendenziell an Bedeutung verliert – ein neuer Job dürfte für viele derzeit schnell zu finden sein. 

Der Arbeitsmarkt ist derzeit in Bewegung, und das spiegelt sich in den Arbeitswerten der Erwerbstätigen wider. Sie richten ihre Einstellungen ein Stück weit an der aktuellen Situation aus – obwohl zwischen 2020 und 2023 insgesamt wenig Veränderung in den Einstellungen der arbeitenden Bevölkerung zu erkennen ist. 

Von David W. Schiestl, Fabian Kalleitner, Licia Bobzien und Lukas Schlögl

1 Alternative Messzugänge wie etwa Mittelwerte liefern unserem Indikator sehr ähnliche Ergebnisse. Zu bedenken ist allerdings, dass die in dieser Untersuchung behandelten Werte nicht gegeneinander abgewogen, sondern unabhängig voneinander betrachtet wurden. Eine aktuelle Studie zeigt, dass vielen Menschen das Einkommen im Zweifelsfall wichtiger sein könnte als intrinsische Aspekte, wenn sie zwischen beiden wählen müssen. Die hier vorgestellte Rangfolge gibt daher die Meinungen und Wünsche der Befragten in einer idealen Situation ohne Zielkonflikte wieder.

Annex: Frageformulierungen

“Wenn Sie sich eine Stelle aussuchen könnten, wie wichtig wären für Sie persönlich die folgenden Dinge?”

a.       Ein hohes Einkommen

b.       Ein sicherer Arbeitsplatz

c.       Ein Job, bei dem man anderen Menschen helfen kann

d.       Ein Job, der es einem erlaubt, neue Dinge zu lernen

e.       Ein Job, der es einem erlaubt, kreativ zu sein

f.        Ein Job, bei dem man viel Kontakt mit anderen Menschen hat

g.       Ein Job, der einem ein gutes Selbstwertgefühl gibt

h.       Ein Job, der einem viel Freizeit lässt

Antwortmöglichkeiten: Sehr wichtig [1], Eher wichtig [2], Eher unwichtig [3], Sehr unwichtig [4]

Anm.: Die Fragen c, d, e, f und g weisen sehr ähnliche Entwicklungen auf, weshalb sie zu einem Index zusammengefasst wurden („intrinsische Jobaspekte“).