- Menschen in Österreich möchten, dass Einkommen aus Erwerbstätigkeit weniger hoch besteuert werden als diese derzeit werden.
- Bei Einkommen aus Zinserträgen, Dividenden und Wertpapieren sowie bei Einkommen aus Immobilien verhält es sich umgekehrt: Hier bevorzugt die österreichische Bevölkerung eine höhere Besteuerung hoher Einkommen.
- Die österreichische Bevölkerung wünscht sich sowohl bei Einkommen aus Erwerbstätigkeit als auch bei Einkommen aus Zinserträgen, Dividenden, Wertpapieren und Immobilien eine progressive Besteuerung, d.h. höhere Einkommen sollen prozentual höher besteuert werden als niedrige Einkommen.
- Während die bevorzugten Steuersätze bei Erwerbserträgen klar nach Einkommen gestaffelt sind, zeigen sich bei den anderen Einkommensarten nur wenige Unterschiede in den bevorzugten Steuersätze je nach Einkommen der Befragten.
- Auch Personen mit hohen Haushaltseinkommen können sich höhere Besteuerung von Mieterträgen und Zinserträgen vorstellen.
Steuern sind die wichtigste Einnahmequelle für den Staat und zugleich einer der größten Ausgabeposten für die meisten Bezieher*innen von Einkommen. Für die Akzeptanz von Staat und Politik ist ein möglicher Faktor, dass sowohl die Steuergelder als auch die Steuerlast möglichst so verteilt werden, wie sich die Bürger*innen das wünschen. Doch welche Verteilung von Steuergeldern und Steuerlast möchten die Bürger*innen? Wer sollte wie viel Steuern zahlen?
In der Öffentlichkeit dominieren in dieser Frage häufig Debatten über Unterschiede in der Steuerprogression und damit in der unterschiedlichen Steuerhöhe von Niedrig- und Hochverdienenden. Jüngste Debatten über steigende Vermögensungleichheit und gestiegene Mietpreise lenken den Blick jedoch zunehmend auf andere Arten des Einkommens abseits der klassischen Erwerbsarbeit. Während man aus Studien weiß, welche Steuersätze und Steuerstrukturen Menschen im Allgemeinen als gerecht empfinden (z.B. Barnes / Gelepithis 2019), ist man in der Forschung noch uneins, welche Rolle unterschiedliche Einkommensarten bei Steuerpräferenzen spielen. Bis dato gibt es noch wenig Wissen darüber, ob die Bevölkerung unterschiedliche Steuern für unterschiedliche Einkommensarten–wie Mieteinkünfte oder Zinseinkünfte–bevorzugt. Dieser Blog widmet sich daher dieser Frage.
Daten und Messinstrumente
Im Rahmen einer Erhebung des Austrian Corona Panel Projects (ACPP) im Februar 2022 (Welle 29) haben wir die Wahrnehmungen der Höhe der Besteuerung von Einkommen aus unterschiedlichen Quellen abgefragt. Dazu wurden die Befragten gefragt, wie verschiedene Einkommenshöhen derzeit besteuert werden (Ist-Zustand); und, wie hoch Menschen in Österreich unterschiedliche Einkommensarten besteuert sehen wollen (Soll-Zustand). Die Befragten sollten sich dabei jeweils eine fiktive Person mit einem Einkommen von 2.000€ bzw. 6.000€ vorstellen. Wir untersuchen somit im Folgenden sowohl die wahrgenommene als auch und die bevorzugte Steuerrate der Befragten.
Konkret wurden den Befragten folgender Fragetext gegeben: ‚Denken Sie im Folgenden jeweils an eine Person ohne Kinder. Wie hoch WIRD Ihrer Meinung nach diese Person aktuell in Österreich besteuert, wenn sie ausschließlich die folgenden monatlichen Bruttoeinkünfte hat?‘[1] Befragte wurden dann nach der wahrgenommenen Besteuerung einer Person mit Einkommen von 2.000€ und 6.000€ gefragt, wenn das Einkommen jeweils aus Erwerbstätigkeit; Vermietung von Immobilien; bzw. Zinserträge, Dividenden oder Wertpapiere stammt. Sie konnten dabei aus den folgenden Antwortkategorien wählen: 0-10%, 11-20%, 21-30%, 31-40%, 41-50%, 51-60%, >60% oder Weiß nicht. Danach werden Befragte nach einer Einschätzung gebeten, wie hoch die jeweiligen Personen besteuert werden SOLLTEN.[2] Für die Analyse der Antwortkategorien haben wir im Folgenden jedem Befragten den Mittelwert der von ihm gewählten Antwortbereichs zugewiesen. Gibt jemand beispielsweise an, Steuern im Bereich zwischen 41-50% wahrzunehmen, rekodierten wir das zu 45.5%. Für die Kategorie, die nach oben offen ist, haben wir den Wert 65.5% zugeteilt.
Als Hintergrund einige vereinfachte Information zu Steuern in Österreich: Zinsen werden in Österreich mit der Kapitalertragssteuer von 25% besteuert. Wertpapiererträge werden mit 27,5% besteuert. Mieteinnahmen werden, ebenso wie Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Österreich in Höhe der Einkommenssteuer besteuert. Die durchschnittliche Einkommensteuer für eine Person mit einem Einkommen von 2.000€ beträgt 23% (20% für die ersten 18000€ im Jahr und 32.5% für bis zu 31000€), für eine Person mit einem Einkommen von 6.000€ beträgt sie 36% (von 31.000 bis 60.000€ sind es 42% und von 60.000 bis 90.000 € 48%).
Steuerwahrnehmung und Steuerpräferenzen
In Abbildung 1 ist auf der horizontalen Achse zu sehen, ob es sich um die wahrgenommene oder bevorzugte Steuerrate für ein Einkommen von 2.000€ oder von 6.000€ handelt. Auf der vertikalen Achse ist die von den Befragten durchschnittlich wahrgenommene bzw. gewünschte Steuerrate abgetragen.
Bei Einkommen aus Erwerbstätigkeit glauben die Befragten, dass eine Person mit 2.000€ Einkommen etwa mit durchschnittlich 24% besteuert wird und ein Einkommen von 6.000€ mit 36% besteuert wird. Die Befragten wünschen sich eine Besteuerung von durchschnittlich 17% für ein Einkommen von 2.000€ und 29% für ein Einkommen von 6.000€. Das bedeutet, dass die Befragten sich im Schnitt eine niedrigere Besteuerung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit wünschen als ihrer Wahrnehmung nach derzeit vorherrscht.
Ein anderes Muster ergibt sich bei der Analyse der Wahrnehmungen und Präferenzen von Einkommen aus Zinserträgen, Dividenden und Wertpapieren sowie bei Einkommen aus Immobilien: Hier sehen wir jeweils, dass für niedrigere Einkommen der bevorzugte und wahrgenommene Durchschnittssteuersatz um die 23% liegt. Der wahrgenommene weicht hier also kaum vom gewünschten Steuersatz ab.
Größere Unterschiede gibt es jedoch bei der Frage, wie eine Person mit einem Einkommen von 6.000€ aus Zinsen und Dividenden oder auch Immobilien besteuert werden sollten. Hier empfinden die Befragten die als geltend wahrgenommene Besteuerung als zu niedrig und wünschen sich eine im Schnitt um 5 Prozentpunkte höhere Besteuerung von Einkommen aus Zinsen und Dividenden sowie eine um 3 Prozentpunkte höhere Besteuerung von Einkommen aus der Vermietung von Immobilien.
Insgesamt meinen die Befragten somit: Einkommen aus Erwerbstätigkeit sollte weniger hoch besteuert werden sollten als wahrgenommen; (höhere) Einkommen aus Zinsen, Dividenden, Wertpapiere sowie Immobilien hingegen sollten stärker besteuert werden als wahrgenommen. Dies gilt nicht nur im Vergleich zur aktuell wahrgenommenen Steuerlast; die Bevölkerung will Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Vergleich zu anderen Einkommensarten generell weniger hoch besteuern.
Gibt es Unterschiede je nach Einkommen des Befragten?
Stimmen alle Befragten einer höheren Besteuerung von Immobilien und Zinsen zu oder nur bestimmte Gruppen? Dafür betrachten wir in Abbildung 2 die wahrgenommene und bevorzugte Steuerrate für Einkommen von 6.000€ je nach Einkommensart und nach Einkommenshöhe des/der Befragten.
Es zeigt sich, dass Befragte, die selbst ein höheres Einkommen haben, den Ist-Zustand der Besteuerung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit als höher wahrgenommen als Befragten mit einem niedrigen Einkommen. Über alle Einkommensgruppen hinweg bevorzugen alle Befragten jedoch eine niedrigere Besteuerung für Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Betrachtet man dagegen die wahrgenommene und bevorzugte Steuerrate für Einkommen aus Zinserträgen, Dividenden und Wertpapieren sowie aus Immobilien ergibt sich in der Tendenz ein anderes Bild: Über alle Einkommensgruppen hinweg wünschen sich die Befragten tendenziell eine etwas höhere Besteuerung dieser Einkommen.
Bevorzugte Steuern: Nicht nur eine Frage der Einkommenshöhe
Was folgt aus diesen Ergebnissen? Für die öffentliche Debatte über die Höhe der Besteuerung von Einkommen wäre es hilfreich, stärker die Quelle des Einkommens zu berücksichtigen. Insgesamt empfinden Menschen in Österreich Einkommen aus Erwerbstätigkeit als zu hoch besteuert. Gewünscht werden niedrigere, aber weiterhin progressive Steuern auf Arbeit. Währenddessen möchten die österreichische Bevölkerung, dass Zinsen, Dividenden, Wertpapieren und Immobilien, ähnlich wie Erwerbseinkommen, stärker und progressiv besteuert wird. Insbesondere höhere Einkommen sollen stärker beitragen als es aus Sicht der Befragten derzeit der Fall ist. Letzteres gilt unabhängig vom Erwerbseinkommen der Befragten: Sowohl Menschen mit einem niedrigeren Einkommen als auch jene mit einem höheren Einkommen möchten, dass höhere Einkommen, die nicht aus Erwerbstätigkeit stammen, höher als derzeit wahrgenommen besteuert werden.
Von Licia Bobzien, Fabian Kalleitner und Lukas Schlögl