- Befragte in Österreich schreiben unterschiedlichen wirtschaftlichen Veränderungen ein unterschiedlich hohes Risiko für den Arbeitsmarkt zu. Grundsätzlich nehmen sie die Gefahr für Arbeitsplätze in Österreich als Ganzes als größer wahr als die Gefahr für den eigenen Arbeitsplatz.
- Im Vergleich dreier wirtschaftlicher Veränderungen wird die Verlagerung von Produktion aus Österreich ins Ausland (Offshoring) als größte Gefahr wahrgenommen, gefolgt von Verdrängung von Arbeitskräften durch Computer, Roboter oder Künstliche Intelligenz (KI) und von Risiken durch Arbeitsmigration nach Österreich.
- Menschen, die eine große Gefahr durch Offshoring und Computer/Roboter oder KI sehen, unterstützen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens stärker als Menschen, die anderen Veränderung ein höheres Risiko beimessen.
- Höhere Angst vor Migration geht nicht mit höherer Unterstützung eines bedingungslosen Grundeinkommens einher.
Globalisierung und technologischer Wandel haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Volkswirtschaften und Gesellschaften in Europa. Sie prägen die Beschäftigungsmöglichkeiten, beeinflussen die Einkommensverteilung und haben eine Vielzahl sozialer und politischer Entwicklungen in den letzten Jahren — wie etwa den Erfolg populistischer Parteien — entscheidend mitgeprägt (Autor et al. 2020; Autor 2019; Frey und Osborne 2017; Di Tella und Rodrik 2019).
Die bisherige Forschung legt nahe, dass Zukunftsängste und veränderte politische Präferenzen keine zwangsläufigen Reaktionen auf sich wandelnde wirtschaftliche Kontexte sind. Vielmehr sind sozialpolitische Präferenzen von subjektiven Wahrnehmungen dieser wirtschaftlichen Entwicklungen beeinflusst (Mutz 2018). Das bedeutet, wie Menschen diese Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt wahrnehmen, kann beeinflussen, welche politischen Maßnahmen sie unterstützen. Es ist deshalb wichtig, neben objektiven Veränderungen am Arbeitsmarkt auch subjektiv wahrgenommene Risiken zu untersuchen, um Veränderungen sozialpolitischer Präferenzen zu verstehen. In diesem Beitrag analysieren wir, ob die Wahrnehmung unterschiedlicher Arbeitsmarktrisiken Auswirkungen darauf hat, ob Personen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommen unterstützen oder ablehnen.
In der 26. Welle des Austrian Corona Panel Projects (ACPP) im Oktober 2021 haben wir die wahrgenommene Wahrscheinlichkeit des Jobverlustes aufgrund verschiedener Arbeitsmarktrisiken untersucht. Wir unterscheiden dabei (I) die Betroffenen des Arbeitsmarktrisikos: (a) einerseits das Risiko für einen selbst bzw. das nahe Umfeld, den Job zu verlieren, und andererseits (b) das Rikiso von Jobverlusten für die Gesellschaft im Ganzen; und (II) die Art des Arbeitsmarktrisikos: Jobverlust aufgrund von (a) Offshoring, (b) Roboter/KI oder (c) Immigration. Konkret wurden die Befragten gebeten, anzugeben, inwiefern Sie den folgenden Aussagen zustimmen: „[Viele Arbeitnehmer in Österreich / Sie oder ein Mitglied Ihrer Familie] werden in den nächsten 10 Jahren ihren Job [aufgrund des Einsatzes von Computern, Roboter und künstlicher Intelligenz verlieren. / aufgrund von Zuwanderern verlieren, die nach Österreich kommen, um hier zu arbeiten. / verlieren, weil Betriebe Produktionen in Niedriglohnländer auslagern.]” Die Befragten konnten auf einer Skala von 1 (trifft sehr zu) bis 5 (trifft überhaupt nicht zu) antworten.
Abbildung 1. Wahrgenommene Arbeitsmarktrisiken für einen selbst und die Gesellschaft. N=1407.
In Abbildung 1 ist die durchschnittlich wahrgenommene Gefahr des Jobverlusts durch die drei genannten Risiken (a) Offshoring, (b) Roboter/KI oder (c) Immigration jeweils für einen selbst und für die Gesellschaft zu sehen. Die horizontale Linie beim Wert 3 markiert die mittlere Antwort in der Skala (Teils-teils). Werte darüber bedeuten, dass der Durchschnitt der Befragten der Aussage eher zustimmen; Werte darunter bedeuten, dass der Durchschnitt die Aussage eher ablehnt. Die Gefahr des Jobverlusts durch Offshoring, in der linken Abbildung dargestellt, wird als größte gesellschaftliche Gefahr wahrgenommen, gefolgt von der Gefahr des Jobverlusts durch Roboter und künstliche Intelligenz. Am niedrigsten wird im Vergleich die Gefahr des Jobverlusts durch Immigration wahrgenommen. Über alle drei Quellen von Arbeitsmarktrisiken hinweg nehmen Befragten die Gefahr für die Gesellschaft immer als signifikant größer wahr als die Gefahr für sich selbst. Das ist konsistent mit der Forschung zu Gefahrenwahrnehmung, die zeigt, dass Individuen tendenziell denken, dass sie weniger Gefahr ausgesetzt sind als die durchschnittliche Person.
Wirken sich Unterschiede in der Wahrnehmung der Risiken verschiedener Formen der Transformation des Arbeitsmarkts nun auf politische Präferenzen aus? Diese Frage betrachten wir exemplarisch anhand der Präferenz für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Dabei wurde gefragt ob die Respondent*innen dafür oder dagegen sind allen Bürgern ein Grundeinkommen zu zahlen, unabhängig davon, ob sie arbeiten oder nicht. In Abbildung 2 ist auf der Horizontalachse die subjektive Gefahreneinschätzung des Jobverlusts durch Immigration, Computerisierung und Offshoring dargestellt. Auf der Vertikalachse kann die Zustimmung zur Einführung eines Grundeinkommens abgelesen werden. Je höher die wahrgenommene Gefahr des Jobverlusts durch Computisierung oder Offshoring, desto höher auch die Zustimmung zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (p<0.05). In der rechten Abbildung sieht man, dass die durchschnittliche Präferenz für ein bedingungsloses Grundeinkommen allerdings nicht mit der Gefahrenwahrnehmung des Jobverlusts durch Immigration steigt.
Abbildung 2. Der Effekt der Risikowahrnehmung auf die Präferenz für ein bedingungsloses Grundeinkommen. N=1349.
Das bedeutet, dass Menschen je nach der wahrgenommenen Form der Arbeitsmarkttransformation unterschiedliche politische Präferenzen aufweisen. Eine mögliche Erklärung wäre, dass Menschen ein Grundeinkommen als potentielle Lösung für einen Jobverlust durch Offshoring oder Computerisierung sehen, da ihr Arbeitsplatz dadurch verdrängt wird. Die Gefahr durch Migration hingegen könnte eher mit der wahrgenommenen Gefahr eines steigenden Wettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt in Verbindung gebracht werden; ein Grundeinkommen könnte somit als weniger passende politische Reaktion wahrgenommen werden.
Die Gefahrenwahrnehmung kann somit beeinflussen, welche politischen Maßnahmen Menschen bevorzugen und in, mitunter sehr unterschiedlichen, (sozial-)politischen Konsequenzen münden. Um zu verstehen, wann Menschen politische Maßnahmen, wie beispielsweise die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, unterstützen, ist es somit wichtig zu verstehen, welche Wahrnehmungen Menschen von ihrer Umgebung und den Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, haben.
Von Licia Bobzien, Fabian Kalleitner und Lukas Schlögl